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Best Practice Schweizerische Bundesbahnen

Züge der SBB

Training im virtuellen Gotthard-Basis-Tunnel

Um maximale Sicherheit für Fahrgäste und Personal zu erreichen, hatte die Schweizerische Bundesbahn (SBB) die herausfordernde Aufgabe, rund 4.000 Personen in 200 verschiedenen Rollen, vom Zug- über Leitstellenpersonal bis zu den Mitarbeitern in den Bereichen Erhaltung und Krisenintervention, handlungssicher auszubilden. Und das in einer Umgebung die für die Ausbildung kaum zugänglich ist.

3DSim@GBT der TriCAT GmbH ist ein realitätsnaher virtueller Nachbau des im Sommer 2016 eröffneten Schweizer Gotthard-Basistunnels (GBT), dem mit 57 Kilometern weltweit längsten Eisenbahntunnel. In der Simulation stehen die gesamte Tunnellandschaft des GBT sowie alle im Tunnelbetrieb eingesetzten Züge in Form einer Avatar-basierten und KI-gestützten virtuellen 3D-Welt zur Verfügung. Zielgruppe sind Beschäftigte der Schweizer Bundesbahn (SBB).

Der Anwendungsbereich reicht vom Erlernen von Streckenkenntnis über Strategien zum Notfallmanagement, etwa bei einem Brand, bis zur simulierten Massenevakuierung ganzer Züge. Ein komplexer Szenario- und Ablaufeditor ermöglicht es den Trainern der SBB, beliebige Trainingsszenarien zu entwickeln, ohne dafür Programmierkenntnisse zu benötigen.

Video zum Best Practice 3DSim@GBT

PROJEKTZIEL | HERAUSFORDERUNG

Handlungssichere Ausbildung von rund 4.000 Personen in einer Avatar-basierten und KI-gestützten virtuellen 3D Welt der gesamten Tunnellandschaft sowie in allen im Tunnelbetrieb eingesetzten Züge

Erlangen von nachweislicher Handlungskompetenz für den sicheren Betrieb (Streckenkenntnis , Strategien zum Notfallmanagement z.B. bei Brand, virtuelle Durchführung von simulierten Massenevakuierung ganzer Züge)

Entwicklung eines komplexen Szenario- und Ablaufeditors für die Bedienung der Trainer der SBB ohne Programmierkenntnisse

ZIELGRUPPE

Beschäftigte der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) vom Zugpersonal, Mitarbeiter Erhalten, Kriseninterventionspersonal, Personal in den Leitständen

REALISIERUNG

Entwicklung einer virtuellen 3D Simulationsumgebung für realitätsnahes Einzeltraining und komplexe Teamübungen

DETAILS

  • Realisierung der kompletten Tunnellandschaft als interaktive 3D Handlungsumgebung
  • Umsetzung aller zentralen Funktionsträger bzw. Trainingsrollen als steuerbare und handlungsfähige Avatare
  • Steuerung mehrerer hundert Passagiere bis hin zur Massenevakuation über KI (künstliche Intelligenz)
  • Integration aller Komponenten zu einer realitätsnahen PC-basierten Multiplayer Simulation
  • Umfangreiche Trainertools zur Übungssteuerung, -überwachung und zum Debriefing
  • Entwicklung eines Autorenwerkzeugs zum selbständigen Entwurf von Trainingsszenarien durch den Kunden

Preise und Auszeichnungen für 3DSim@GBT

Bewerbungsvideo für den delina Innovationspreis für digitale Bildung 2017

Interview mit Michael Bruderer

Leiter Bildungsentwicklung bei der SBB sowie Initiatior, konzeptioneller Vater und Realisator des Projekts 3DSim@GBT

Michael Bruderer

Wie im richtigen Leben

Das Ziel solcher realitätsnahen Szenarien besteht darin, den Profis Handlungssicherheit zu vermitteln. Michael Bruderer erklärt: «Die Mitarbeitenden sollen ein Gefühl dafür bekommen, wie verschiedene Szenarien ablaufen und welche Auswirkungen ihre Handlungen haben.» Wenn Fehler bei der Kommunikation passieren, kann dies verheerend sein. Wenn ein Feuer nicht richtig gelöscht wird, brennt es weiter. In der Simulation genauso wie im richtigen Leben.

Ein weiterer Vorteil der Simulation ist, dass Mitarbeitende in der virtuellen Lernwelt nicht an die Rollen gebunden sind, die sie im richtigen Leben einnehmen. «Dies gibt den Mitarbeitenden die Möglichkeit, verschiedene Situationen aus unterschiedlichen Perspektiven zu erleben.» Der Perspektivenwechsel wird zudem auch im Nachhinein möglich, indem jedes Szenario aufgezeichnet wird. Die Beteiligten können die Übung so beispielsweise aus der Sicht eines Kollegen oder aus der «Vogelperspektive» betrachten. Dies soll die Selbstreflexion fördern. Es sei einfacher, eine Erkenntnis selbst zu erlangen, so Bruderer. «Wenn man eine Situation von aussen betrachtet, ist das ein völlig anderes Erlebnis, als wenn man selbst mitten in der Situation ist. Dieser Perspektivenwechsel geht über die Möglichkeiten einer real inszenierten Übung hinaus und unterstützt das Lernen sehr stark.» Um das Gelernte gezielt zu verarbeiten, folgt auf jede Simulation ein Debriefing.

Als Instrument der Evaluation folgt auf die Lernsituationen zudem jeweils eine mündliche Feedbackrunde. Ausserdem liessen die SBB die Teilnehmenden im Zeitraum von zwei bis vier Wochen nach der Schulung schriftliche Feedbackbögen ausfüllen. Ergänzt wurde die Evaluation nach weiteren zwei bis vier Wochen mit mündlichen Befragungen von zufällig ausgewählten Teilnehmenden im Sinne von Stichproben. «Die Auswertungen haben gezeigt, dass die Anwendung und das damit einhergehende moderne Lernsetting bei allen Beteiligten auf grosse Begeisterung und Akzeptanz stiessen», so Bruderer. Besonders geschätzt hätten die Trainingsteilnehmer die Erlebbarkeit der Prozesse zusammen mit den anderen Rollen und den daraus resultierenden hohen Lerntransfer. «Rückmeldungen aus dem Berufsalltag deuteten zudem auf eine grundsätzlich gesteigerte Handlungssicherheit der Teilnehmenden in ihrer beruflichen Praxis hin – auch über die in der Simulation trainierten Situationen hinaus.»

Eigentlich unmöglich

Das Vorhaben war von Anfang an von zeitlichen Limitierungen mit Nulltoleranz geprägt: «Die Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels generierte für das Projekt einen absolut verbindlichen Endtermin», so Bruderer. 24 Monate hatten die SBB für die Grob- und Detailkonzeption der 3DSim@GBT investiert – mehr zeitliche Ressourcen gab es nicht. «Ich weiss: Dies ist eigentlich unmöglich», sagt Bruderer zur Umsetzung seines Innovationsprojekts in solch zeitlich begrenztem Rahmen. «Die 24 Monate stellen sicherlich keinen Referenzwert für ein solches Projekt dar. Sie verdeutlichen vielmehr, was der Elan eines Jahrhundertbauwerks nebenbei für Höchstleistungen generieren kann.» Im Februar 2016 konnten die Prozessschulungen zeitgerecht und erfolgreich gestartet werden.

Bei der Wahl des Anbieters für das Ausbildungsprojekt sei den SBB besonders eine hohe didaktische Qualität wichtig gewesen, so Bruderer. «Oder im Umkehrschluss: Der Anbieter darf nicht nur technologiegetrieben sein.» Die Technologie habe eine rein unterstützende und damit untergeordnete Rolle. Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Auswahl des Anbieters habe darin bestanden, dass dieser verschiedene Referenzprojekte ausweisen könne. «Und schliesslich ist ein zentraler Erfolgsfaktor, dass Erfahrungen in Bezug auf iterative und agile Entwicklungsprozesse vorhanden sind.»

Umgesetzt hat die virtuelle Lernwelt der deutsche Anbieter Tricat GmbH. Aufgrund des erwarteten Projektvolumens von zwei bis drei Millionen Franken mussten die SBB den Anbieter mittels WTO-Ausschreibung im Rahmen eines öffentlichen Beschaffungsverfahrens ermitteln. «Tricat unterbreitete uns schliesslich das qualitativ beste Angebot. In der Konsequenz wurde ihnen der Zuschlag gemäss den geltenden gesetzlichen Richtlinien erteilt.»

Virtuell versus real?

Verdrängt das Training im virtuellen Raum bald reale Übungen oder klassische Ansätze des Lernens? Laut Bruderer: Nein. Schulungen in virtuellen Räumen sollen in erster Linie ergänzenden Charakter haben. «In den meisten Fällen können sie das lernrelevante reale Erleben nicht ersetzen», so Bruderer. Obwohl in der heutigen Zeit der Digitalisierung die Nutzung moderner Ausbildungstechnologien eine Selbstverständlichkeit darstelle, sei diese nicht zwingend auch für jede Bildungsmassnahme sinnvoll. «Lernen ist und bleibt ein hoch individueller, immer auch sozialer und stark von äusseren Faktoren beeinflusster Prozess.»

In der betrieblichen Bildung der SBB gebe es durchaus auch Massnahmen, bei denen aufgrund von Inhalten, Zielgruppe und Rahmenbedingungen aus didaktischer Sicht mit einem klassischen Präsenzunterricht die beste Bildungsqualität erreicht werden könne. «Ebenso ergeben sich mit der gleichen Argumentation Potenziale für voll virtualisierte Bildungsmassnahmen oder Mischformen unterschiedlicher Ausprägung.» Auch beim Ausbildungsprogramm im Rahmen des Gotthard-Basistunnels setzten die SBB nicht allein auf das Lernen in der virtuellen Welt. Vielmehr war das Training im virtuellen Raum für das Zugpersonal Teil eines Moduls. Für die Aus- und Weiterbildung im Zusammenhang mit dem Gotthard-Basistunnel haben die SBB rund 90 verschiedene Bildungsprodukte neu konzipiert und entwickelt, für deren Durchführung bis Herbst 2016 rund 20 000 Ausbildungstage notwendig waren.

Die Ausbildungsinnovation hat europaweit für Aufsehen gesorgt – konkret merkt Bruderer das an Einladungen zu Bildungsmessen und Kongressen sowie an Interessensbekundungen von verschiedenen anderen Unternehmen. Mittlerweile wurde das Projekt 3DSim@GBT auch mehrfach ausgezeichnet.

«Die Technologie kam in dieser Komplexität und Form bisher noch nirgends sonst zum Einsatz», erklärt sich Bruderer das grosse Interesse. Auch abgesehen von Ruhm und Ehre zieht er ein positives Projekt-Fazit: «Aus didaktischer Sicht übertrifft die Anwendung die Erwartungen und eröffnet grosses Potenzial für unsere betriebliche Bildung innerhalb der SBB.»

Kompletter Artikel in „HR Today Nr. 3/2017 |Weiterbildung

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